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Der Geist des Weines

Naturally I am misanthropic, but the Negronis are helping considerably.  - Anthony Bourdain
Naturally I am misanthropic, but the Negronis are helping considerably. - Anthony Bourdain

In Alkohol und Glücksspiel, heißt es im Koran, liege viel Segen, aber noch mehr Schaden. Nur wenige Verse später wird Alkohol grundsätzlich verboten. Im Gefühl des sicheren Sieges hatten die Muslime begonnen zu feiern, anstatt sich auf den Gegenangriff der Mekkaner vorzubereiten. Die Schlacht bei Badr ging verloren. Wieviel Schaden Alkohol anrichtet, kann man in den Obdachlosenheimen und auf den Partymeilen weltweit bestaunen. Dass Verbote den Konsum nur befeuern, ist auch keine neue Erkenntnis. Das Wort "Konsum" weist auf den Kern des Problems hin. Kann es sein, dass wir eine Medizin für Zwecke missbrauchen, für die sie nicht gedacht war? Fernab von kultureller Einbindung und tradierter Dosierung? Wie der unlängst verstorbene Ethnobotaniker und Psychonaut Christian Rätsch treffend bemerkte, tränken wir heutzutage nur noch das Lösungsmittel. Das viel beschworene Deutsche Reinheitsgebot war ein Prohibtionsgesetz, das auf Druck der Kirche durchgesetzt wurde. Fortan war nur noch der beruhigende Hopfen als Zutat im Bier erlaubt. Tollkirsche, Bilsenkraut und co mussten draußen bleiben. Die alte heidnische Tradition der Bockbiere für die Tingversammlungen wurde gekappt. Trotzdem lassen sich bis in unsere Tage Spuren der alten Tradition in den Geistigen Getränken finden. Manchmal unverhofft. Selbst hier im Piekenbrock. Davon will ich euch heute in diesem Artikel erzählen.

Der Alkohol macht, dass ein Mensch mehr Mensch wird

Arabisches Sprichwort

Ein Toast auf den Idioten

Den sagenumwobenen guten Tropfen trinke ich gern. Ich mag die gesteigerte Hitze der Diskussion, die Lust, laut zu singen und endlich mal wieder zu tanzen. Darin liegt viel Segen, gerade für verkopfte Zeitgenossen wie mich. Was ich überhaupt nicht mag: Die Kontrolle zu verlieren und mit Kopfschmerzen am Morgen aufzuwachen. Also lass ich das. Meine erste Erfahrung mit Alkohol habe ich mit 14 Jahren gemacht, als ich mich heimlich aus Vaters Barfach im Wohnzimmerschrank bediente. Ich war so krank, dass ich in meiner Jugend keinen Tropfen mehr angerührt habe. Da waren keine erhobenen Zeigefinger und Verbote nötig. Bis heute trinke ich keinen Sliwowitz. So nachhaltig war die Erfahrung.


Um in den inneren Zirkel des griechisch - armenischen Schriftstellers, Choreographen, Komponisten und Esoterikers Georges I. Gurdieff aufgenommen zu werden, gab es ein besonderes Ritual. Den Toast auf den Idioten. Der Aspirant musste ein Wasserglas Wodka leeren. Das kürzte das Kennenlernen erheblich ab. Der Meister wusste schnell, woran er war. Betrunkene und Kinder sagen bekanntlich immer die Wahrheit. 

Auf die wahren Liberalen, wer immer sie auch sind!
Auf die wahren Liberalen, wer immer sie auch sind!

Käme jetzt die gute Fee und ich könnte ein Getränk noch einmal trinken, ich zögerte keine Sekunde. Den Obstler vom Schredl, bitte! Die Früchte von der Streuobstwiese hinterm Hof. Das Wasser aus der Quelle im Gebirge so weich, dass die Handtücher nach dem Duschen versagen. Jahrzehntelang haben wir mit der Familie im Sommer und Winter auf dem Berghof in Oberösterreich Urlaub gemacht. Zu dieser Zeit hatten wir immer ein paar Flaschen des Selbstgebrannten im Haus. Für besondere Anlässe. Krambambuli zu Silvester. Der alte Bauer hat zu jeder Mahlzeit ein kleines Stamperl getrunken. Medizin. Das Gesetz der Drei. Frau Öllinger aus Linz hat ihre Schwedenkräuter nach Maria Treben darin konserviert. Die bot sie bei allen Wehwehchen an. Als echtes Naturprodukt waren nicht alle Jahrgänge gleich. Mal war er kratziger, mal milder, mal fruchtiger. Immer stark! Da waren Wind und Wetter drin. Einmal fragte ein Freund, der um den magischen Ort in Österreich wusste, ob der neue Obstler schon da wäre? Er trank, sagte erstaunt: "Das ist er nicht!", dann verzog er auf einmal das Gesicht, die Augen weiteten sich, er machte ein unnachahmliches Geräusch und keuchte: "Ja, das ist er!"

Der Geist des Weines

Beltane. 2015. Die Grüne Fee macht eine Stippvisite im Piekenbrock. Zunächst hatte die böse alte Erziehungsanstalt von Europäischer Union ihren unmündigen Kindern den Absinth verboten. Enthällt das Gift Thujon. Dann wurde das Verbot mit dem Hinweis auf lokale Traditionen wieder gelockert. Beschränkt bleibt die zulässige Menge an Nervengift im Verhältnis zum Alkoholgehalt. Im Supermarkt konnten seltsame Flaschen mit giftgrünem Inhalt gekauft werden. Wie immer befeuert das Verbot nur die Neugier. Wenn sie es verbieten, muss wohl etwas dran sein an den alten Legenden von der Grünen Fee. Also habe ich für unser Fest zum Sommeranfang eine Flasche gekauft. Zugegeben war es damals als Schmankerl zur Party gedacht. Ich glaubte nicht, dass die abgeschwächte, EU - regulierte Version noch viel mit dem Modegesöff zu tun hat, das die Künstler des 19. Jahrhunderts in den Wahnsinn getrieben haben soll. Die Sehnsucht nach dem alten Zauber magischer Welten spielte aber eine Rolle. Die Erfahrung war enttäuschend. Ich trank nur wenig. Es schmeckte mir einfach nicht. Ich mag Anis als Gewürz, aber im Schnaps? Diese ganze Pastis -, Pernodwelt ist nicht meine. Den bitteren Wermut, die Zauberpflanze, konnte ich nicht wahrnehmen. Was geschah? Nichts Außergewöhnliches. Wir hatten ein schönes Fest. Letztendlich sollte man jedoch immer vorsichtig mit dem sein, was man sich wünscht. Es könnte in Erfüllung gehen. Eine alte Kräuterfrau hat mir einmal erzählt, dass die Geister der Pflanzen nur darauf warten, mit uns in Kontakt treten zu können. Und tatsächlich hat mich die Grüne Fee über Umwege Jahre später geküsst.

The Fairy Maiden

Das Rezept des Märchenmädchens ist natürlich das Gesetz der Drei. Absinth, Gin, Tonic. Fertig! Ja, sie ist stark.

Sie kristallisierte sich als Standardgetränk, wenn mein Freund Karol zu Besuch kam, um mit mir Pfeifen aufzuarbeiten. Auch ihn hat der Mythos des Absinth fasziniert. Er brachte eine Flasche als Gastgeschenk mit. Da ja eh nix passieren kann, traute ich mich, etwas mehr davon zu trinken. Dann ist es passiert. Nicht sofort. In der Nacht. Ich hatte einen seltsamen Traum. Ich besuchte mein Elternhaus, aber es war ungeheuer edel ausgestattet. Die Innenräume waren vergrößert. Samtvorhänge, Ledersessel, Kamin. Ich befand mich in einem englischen Club von Gentlemen. Alle vornehm gekleidet. Sehr gediegen, sehr fein. Trotzdem ließ mich der Traum ratlos zurück. Ja, die grüne Fee hat die Ausstattung meiner Träume verbessert. Samt statt Leinen, Leder statt Stoff. Aber was soll mir das sagen? Die wahren Schätze liegen in den inneren Welten. Mein Elternhaus habe ich wohl verkannt. Mich selbst unterschätzt. Ich hatte schon andere Träume. Immerhin konnte ich nachvollziehen, warum der Absinth zu seinem Ruf kam. Ich verspürte aber kein Verlangen, da weiter einzutauchen. Zumal regelmäßiges Trinken nicht auf der Agenda meiner liebsten Tätigkeiten steht. Es gibt Löcher, in die ich nicht fallen möchte. Die Grüne Fee benötigte einen weiteren Anlauf. Durch die Hintertür.

 

Es war ein heißer Sommer. Durch meine kulinarischen Interessen befeuert, kam ich dazu, abends im Garten gelegentlich einen Gin Tonic zu trinken. In der Welt des Gins kannte ich mich gar nicht aus. Meine Entdeckungsreise führte mich zum schottischen Hendrick´s Gin. Hauptsächlich weil das Preis - Leistungsverhältnis stimmte. Rose und Gurke, da muss man erst mal drauf kommen. Passt! Dann gab es immer interessante Sondereditionen. So kam schließlich auch eine Flasche des Orbium ihres Weges. Laut Etikett der Hendrick´s aus einem parallelen Universum. Klingt vielversprechend. Ganz unvoreingenommen habe ich ihn genossen. Was ich nicht wusste? Ein Ufo war unterhalb des Radars der Sittenwächter im Piekenbrock gelandet. Ausgestiegen ist die Grüne Fee. Ich hatte ungeheure Träume. Am Morgen brachte ein Blick aufs Etikett Klarheit: Wormwood, na klar, das ist Wermut!

 

Im Traum wanderte ich durch Wälder und Gebirge. Große Landschaften, in denen ich sehr klein war. Immer wieder wurde aufgerissene Erde gezeigt, Wasseradern. Da war eine ungeheure Wut über die Zerstörung. Im Traum war immer Nacht. Mitten im Wald war ein Gehöft mein kirchlicher Arbeitsplatz. Der Eingang war eine gotische Kathedrale mit Marienbild. Später fuhr ich durch ein paralleles Ruhrgebiet. Überall filigrane, äußerst detaillierte Architektur, aber auch ungeheure Schlote. Ein gewaltiges Panorama. Ich erwachte ungläubig und benommen. Ich hatte das Gefühl, mit dem Geist der Pflanze kommuniziert zu haben. Die Botschaft war erschreckend. Was macht ihr mit Mutter Natur?

 

Das Gefühl von Gefahr habe ich verdrängt. Die Faszination war stärker. Die Sehnsucht nach Verbindung mit der Großen Mutter. In späteren Träumen ging es dann in Unterwelten. In einem dieser Verließe wurde ich angegriffen. Meine Frau hörte derweil wie ich im Traum schrie. Als ich erwachte, hörte ich von Ferne eine furchtbare Stimme: "Da hast du nochmal Glück gehabt!"  Da man sein Glück nie herausfordern soll, habe ich die Experimente mit dem Wermut eingestellt. So auf eigene Faust, ohne kundigen Lehrer, ohne tradierte Rezeptur scheint mir der Weg zu gefährlich. Und die Botschaft des Wermut war eindeutig. Er muss sie nicht wiederholen. Da Wünsche aber dazu neigen, in Erfüllung zu gehen, kam die Grüne Fee dann doch wieder. Letztes Jahr. Wieder auf Umwegen. Diesmal über Italien. Davon erzähle ich im letzten Kapitel. 

 

Vorerst kehrte ich zum Whisky zurück. Einen Dram braucht es zur Pfeife. Da kennst du dich aus. Warum das ein Irrweg war, erzähle ich euch jetzt.

 

The world is a hellish place, and bad writing is destroying the quality of our suffering  - Tom Waits
The world is a hellish place, and bad writing is destroying the quality of our suffering - Tom Waits

Was denkt es da wieder in mir? Spätestens seit Oma Martha den Apfelsaft, den sie uns Kindern servierte, Whisky pur nannte, war Whisky das Synonym fürs Erwachsensein schlechthin. Der Weg zum Gentleman schien ohne Whisky unmöglich. Dabei hätte ein Blick in die Biographie Churchills genügt, um zu erkennen, dass der große Brite das Zeug kaum angerührt hat. Das war Sache jener nördlichen Inselbedohner, die das große Britannien nur zu gerne verlassen hätten. Und Rum war etwas für die Matrosen der Royal Navy. Als echter englischer Gentleman trank Churchill vor dem Essen Champagner, dazu allerlei Wein und nachher Brandy. Meine Bevorzugung des Whiskys beruht also auf einem Missverständnis. Gegen eine kulturelle Erzählung kommt Geschmack nicht an. Muss er auch gar nicht. Wenn's schmeckt. 



Das obere Regal

Weihnachtswhisky 2023
Weihnachtswhisky 2023

In unserem Freundeskreis war es der Whisky, der die Rolle des Erziehers in Sachen Geschmack übernahm. Er hat es nicht schlecht verstanden. Daher will ich ihn preisen. Trotz meiner Vorliebe für James Joyce und den Ulysses haben sich in meiner Bar die Schotten die Spitzenplätze erobert. Was ihnen in Fußball und Politik  nicht glücken mag, hier haben sie es geschafft. Ausnahmen bestätigen jede Regel. Den Writer's Tears mag ich. Gekauft habe ich ihn wegen des Namens. Zum Glück hat er geschmeckt. Hätte er mir bei dem Namen nicht schmecken können? Geschmack ist in erster Linie Psychologie. 


Mit Mais kann man mich jagen. Daher ist meine Beziehung zum Bourbon kompliziert. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. Wenn der Tom Sawyer in mir wieder Huckleberry Finn sein möchte, seine Missouri Meerschaum mit dem Bayou Morning stopft, dann darf es auch das Getränk aus Lynchburg Tennessee sein, dessen Arbeiter viel Zeit haben. Ich bin mir bewusst, dass es hier eher um die Stimmigkeit des kulturellen Erzählens geht. Nur mit der richtigen Geschichte scheint es richtig gut zu schmecken. 


Zu den Erzählungen der Kenner gehört natürlich immer auch der erste Laphroaigh. Wie ein Biss in eine frisch geteerte Küstenstraße. So haben wir die Werbung verballhornt. Tradition wurde es, jedes Jahr zu Weihnachten einen Whisky aus dem oberen Regal zu kaufen. Da waren im Lauf der Jahre tolle Tropfen dabei. Als mein bester Freund im Dezember zu Besuch kam, setzten wir die Tradition selbstverständlich fort. Wir haben dem Whisky viel zu verdanken. Er hat unseren Weg begleitet, die Stationen markiert.


Wie wird aus einem Jungen ein Mann? Aus einem Mann ein Gentleman? Aus einem Stotterer ein Dichter? Aus einem Schwätzer ein Sänger? Aus einem Hinkenden ein Tänzer?  Aus dem Begriffsstutzigen ein Philosoph? Aus dem Einsamen ein Liebhaber? Gibt es eine geheime Erfolgsformel? Ja! 


So tun als ob! Der Rest ergibt sich von selbst. Wer eine Bronze gießen will, benötigt eine Form. Die ist anfangs hohl. Reine Phantasie. Ohne gäbe es jedoch keine Skulptur. Der größte Fehler des Erwachsenen besteht darin, mit dem Spielen aufzuhören. Bei der ersten halbwegs geglückten Skulptur schließt er die innere Werkstatt. Fortan gießt er nur noch Kopien. 


Die Küche im Piekenbrock ist unser Schmelztiegel. Befeuert von Geistigen Getränken werfen wir die alten Skulpturen ins Feuer. Sie waren zu klein. Ohne kreative Zerstörung keine Entwicklung. Mit dem Rauch unserer Pfeifen steigen neue Ideen in die Spähren auf. Der Tod eines unserer besten Freunde sorgte im letzten Jahr für zusätzliche Sprengkraft. Zum Anstoßen konnte es nur ein Getränk geben. Cognac! Für mich als Urenkel eines Winzers war es eine Heimkehr nach langen Jahren in der Fremde. Ja, die Reise war schön, aber letztendlich können nur die Trauben die Wärme der Sonne für die dunklen Nächte bewahren. An Heilig Abend saß ich vor einem Armagnac. Endlich daheim!

Liebe ist die Schwerkraft der Metaphysik - Buckminster Fuller
Liebe ist die Schwerkraft der Metaphysik - Buckminster Fuller

Post aus Baden Baden. Eine Todesanzeige. Einer der ältesten Freunde hat sich aus dem Staub gemacht. Alte Herner Schule! Wir waren ungleiche Brüder. Ich war doch einen Monat älter, der größere, schlankere, schönere. Ich hatte die Locken, aber Dir flogen die Herzen der interessanten Frauen zu. Von Dir habe ich gelernt, worauf es ankommt. Du wolltest immer hoch hinaus. Du bist der von uns, der es geschafft hat. Du hast immer an mich geglaubt, du hast gesehen, was in mir steckt, als ich es nicht sah. Du warst immer den entscheidenden Schritt voraus. Immer in den besten Schuhen. Myriaden von Ideen und ein unerschütterlicher Glaube, es selbst zu schaffen oder nicht. Dreimal haben wir uns in den letzten 20 Jahren getroffen. Immer war es ein tiefgreifendes Erlebnis, das wie ein Katalysator wirkte. An den entscheidenden Wegmarken warst du immer da. Und das wollten wir doch fortsetzen. Wir sprachen davon, wie es wohl mit 70 sein wird, wenn wir uns sehen. Und jetzt bist du mir schon wieder einen Schritt voraus. Wie immer bist du vorangeklettert, um die Seile für uns zu spannen und den Weg zu bereiten. Wie ich dich kenne, hast du den Laden da oben sofort übernommen. Soll ne gemütliche Hütte sein. Wir sehen uns da. Derweilen schwelge ich noch ein wenig in den Abenteuern unserer Jugend. Preußen wie wir tragen schöne Schuhe und trinken natürlich Cognac!


Auf dich, Major! 1966 - 2023

Firestarter
Firestarter

Endgültig eingeschlichen hat sich die Grüne Fee über die Küche. Wie kann es anders sein? Sie kam aus dem Urlaub von Italien her und schaute herein. Auf ganz leisen Sohlen. Als scharlachrote Königin. Regina Scarlatta. Mit altbewährter Rezeptur. Diesmal also ohne Nudelholz! Ich hatte mich im Sommer mit berühmten Köchen beschäftigt. Ein Zitat von Anthony Bourdain empfahl den Negroni. Das Rezept ist natürlich das Gesetz der Drei! Je 3 cl Vermouth, Campari, Gin. Vermouth? Ja, da ist er wieder, der Wermut. Im gewürzten Wein haben sich Spuren der alten Tradition bewahrt. Das ist dann nicht nur das Lösungsmittel. Da ist die Medizin noch drin. Im Gin sowieso. Wacholder. Von einem Apotheker für die Nieren erdacht. Wieder geschah es ohne Absicht. Ich war auf der Suche nach einem Cocktail. Nach etwas Bella Italia im Glas. Passend zum Menue. Ganz Koch und Gastgeber. Wieder musste ich erst träumen, um zu verstehen. 

Die Legende besagt, dass der Negroni in den 1920er Jahren in Florenz entstand. Der Graf Camillo Negroni soll eine stärkere Variante des Americano - Cocktails gewünscht haben und bat den Barkeeper im Caffè Casoni, Fosco Scarselli, Gin statt Soda zu verwenden. Diese Kreation verbreitete sich rasch als der "Negroni". Ein einfacher Wunsch, der zu einem zeitlosen Cocktail führte. In den Liedern von Tom Waits trinken nur die doppeltgestrickten Fremden Gin und Vermouth.

Regina Scarlatta

Die Heckenschere Der Vergangenheit

Never think that war, no matter how necessary, nor how justified, is not a crime  - Ernest Hemingway
Never think that war, no matter how necessary, nor how justified, is not a crime - Ernest Hemingway

Anthony Bourdain empfahl immer gleich zwei Negronis zu trinken. Im Piekenbrock bleiben wir aber konsequent beim Gesetz der Drei. Zwischen den Jahren, wenn die Zeit stillsteht, ist der Schleier zwischen den Welten dünn. Die Perchten ziehen durchs Land und stiften Verwirrung. Zeit für Stille und Einkehr. In einer der Raunächte trug sich das Folgende zu. Ich fühlte mich krank. Die Medizin. Drei Negronis. Wohlig warm und gelöst legte ich mich ins Bett. Diesmal träumte ich nicht. Ich lag wach da. Ich spürte eine tiefe Ruhe in mir. Plötzlich zog mein ganzes Leben vor meinem inneren Auge vorüber. Ich konnte klar sehen, was ich alles verbockt hatte. All Ziele, die ich verfehlt hatte, alle Abzweigungen, in die ich falsch abgebogen war. Alle Sackgassen, die ich zielstrebig betreten hatte. Alle Sünden, wenn man es biblisch haben will. Muss ich jetzt sterben? Auf eine Weise war es ein kleiner Tod. Die Illusion einer Person, für die ich mich gehalten habe, starb. Mir war bewusst, ohne diesen Fremden jetzt nicht hier zu liegen. Die Wucht der jähen Erkenntnis erschütterte mich. Dann blieb nur Dankbarkeit für die Schau. Versöhnung mit dem Kind, das ich war. Ich habe es so gut gemacht, wie ich es vermochte hatte. Und nun? Es bleibt noch Zeit. Da rufen ungesungene Lieder. 

Komm wir fahren mit 100 PS, Schnell wie der Wind ins Glück

Peter Alexander

Mutter hat Peter Alexander geliebt. Auf jeder Fahrt in den Österreichurlaub lief die Kassette. Gewartet habe ich dann immer auf die Hans Moser Parodie "I muas in an früan Lebn a Reblaus gwesn sein". "Der kann singen", sagte Mutter, "wenn er nur nicht immer so albern wäre!" Als Jugendlicher ging Peter Alexander natürlich gar nicht. Klaro! Das hören nur alte Spießbürger! Aber nun! Da swinge ich mit Götz Alsmann ins Neue Jahr, DLF, Pro Swing Neu Jahr, da streut er den Peter ein. Und ich habe Wässerchen in den Augen. Sch...e! Ich weiß nicht wie oft ich "Zum weißen Rössl am Wolfgangsee" als Kind im deutschen Farbfernsehen gesehen habe. Wahrscheinlich jedesmal, wenn er sonntags lief. Meine Lieblingsszene: Wenn das dicke Riesenbaby von Millionär mit dem Hubschrauber einfliegt! "Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist ..." Das konnte der Armagnac nicht überleben. Jetzt fehlt nur noch Freddie Quinn! Ich schwelge in Erinnerungen! Prosit Neujahr, alter Spießbürger! 


Um Kommentaren gleich zu begegnen, nehmt das! 100PS? Ja, wenn du es mit 100 nicht kannst, nützen auch mehr nichts. Als Peter Alexander das sang, konnte nur ein Porsche oder Ferrari gemeint gewesen sein. Und genau so einen braucht es. Die späteren Plastikbomber gleichen Namens mit ner Null mehr können mir gestohlen bleiben. Wir wollen doch ins Glück ...

Silvester 23 / 24

Meine Musik ist der Jazz. Da swingt Freiheit drin. Wenn dann Madelaine Perroux mit der Stimme von Billie Holliday Lieder von Tom Waits und Leonard Cohen zum Besten gibt, bin ich im siebten Himmel der Klänge. Mit zunehmendem Alter, wenn man es ehrlich mit sich meint, fällt das Beantworten der großen Fragen leicht. Tee oder Kaffee? Kaffee! Virginia oder Burley? Virginia! Gern mit Orient! Périque, Latakia? Na, klar! Nur nicht zu wenig! Whisky oder Cognac? Armagnac!  Da das obere Cognacregal so weit höher liegt als beim Whisky, greife ich gern zum landläufigen kleinen Verwandten aus der Gascogne. Der vierte Musketier. Etwas ruppig, aber charmant. Sonne oder Regen? Regen! Nietzsche oder Gott? Der Vater lebt! Drei Negroni, bitte! 

Du musst nichts tun! Lass los! Viele geistige Übungen funktionierten bei mir nicht. Ich war der Überzeugung, dass es nur eine Frage der Anstrengung sei. Üben, üben, üben! Was ich auch unternahm, es endete mit einem Gefühl von Versagen. Du warst nicht fleißig genug! Du kannst das nicht! Erst von Bruno Gröning lernte ich, dass Versöhnen und Heilen keine Tätigkeiten sind, die nur geschickt genug ausgeführt werden müssen, um erfolgreich zu sein. Es sind Prozesse, die geschehen, wenn du dich ihnen nicht in den Weg stellst. Bruno Gröning sprach vom Einstellen. An einem ungestörten Ort atmest du tief durch. Du fühlst, was in deinem Körper geschieht. Ein warmes Gefühl im Herzen. Du lässt Ruhe in dich einkehren. Den Rest macht Gott. Er stellt die Ordnung in dir wieder her. Ihm ist nichts unmöglich. Überlass dich dem Fließen seiner Kraft. 

Selbstbestimmung & Versöhnung

Die Engel für Seele & Jahr

Neujahr. Kurz vor Sonnenaufgang ist es soweit. Die Engel für Seele und Jahr sind gezogen, das Rorschachbild auf dem Espresso verspricht Erkenntnis, der Armagnac steht Kopf. Beschwingt von Geistigen Getränken und himmlischer Musik sitze ich mit meiner Pfeife am Küchentisch, der dritte Negroni klimpert im Glas. Die Einstellung stimmt. Der weite innere Raum ist größer als die Wahrnehmung der Welt. Ich warte auf die Sonne. Da geschieht es. Eine längst vergessene Übung von Neville Goddard ereignet sich. Die Heckenschere der Vergangenheit. Ich sehe nur zu.


Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit und Jugend. Ich durchlebe zahlreiche Schlüsselerlebnisse meines Lebens neu, in denen ich einst das Ziel verfehlte, zu klein von mir dachte, die göttliche Bestimmung nicht sah, mutlos war und ängstlich. Jetzt entscheide ich mich neu! Die Vergangenheit ändert sich. Ich spüre wie ich zu dem Menschen werde als der ich gedacht war. Ich bin jetzt dieser Mensch. Liebe durchströmt mich. Was für ein Geschenk!

Wer Gott liebt, liebt den Menschen  - Bruno Gröning
Wer Gott liebt, liebt den Menschen - Bruno Gröning

Always remember that you are absolutely unique. Just like everyone else

Margaret Mead

Bitte, missverstehen Sie mich richtig. Ich bin der festen Überzeugung, dass es keiner Lösungsmittel zum Lolassen bedarf. Zur Ruhe zu gelangen, ist alles, was es braucht. Auch bin ich der festen Überzeugung, dass der Vater alle seine Geschöpfe gleich liebt und keines bevorzugt. Kein Mensch steht über oder unter einem anderen. Glauben Sie niemandem, der Ihnen erzählt, etwas Besonderes zu sein! Es gibt keine Heiler, Priester, Alte Seelen, Führer, ... Vor allem, wenn für die Heilung Geld von ihnen verlangt wird, können sie ihre Beine nicht schnell genug in die Hand nehmen.


Niemand kann heilen, da war Bruno Gröning ganz entschieden, nur Gott. Wenden sie ich lieber direkt an ihn. Er hat sie nach seinem Bilde erschaffen. Daher weiß er am besten, was mit ihnen anzufangen ist. Vor allem Glauben sie dem alten Schluckspecht nicht, der ihnen dies hier schreibt. Vielleicht hatte er nur einen Negroni zu viel. 

Traum. Frank und Ich sind in Windischgarsten auf dem Weg zum Schredl. Wir kommen auf einem engen dicht bewachsenen Pfad beim Pernkopf vorbei. Ein Idyll von einem Bauernhof, das sich die Werbung nicht schöner hätte ausdenken können. Milchkühe grasen glücklich. Wir erreichen den Wirtschaftsweg oberhalb des Hofes, der auf den Hügel führt, dann die Abzweigung zum Schredlhof. Auf dem Weg treffen wir zwei Bauern in den typischen Arbeitskitteln. Sie wirken wie Zwerge. Einer ist der Schredl. Sie zeigen uns, dass die Wiesenränder des Weges auf beiden Seiten mit einer öligen schwarzen Substanz beschmutzt sind.


Ich gehe weiter zum Hof. Hinter dem Wohnhaus, dort wo die alte Bäuerin ihren Kräuter - und Gemüsegarten hatte, sitzt eine Reihe Frauen in schwarzer Witwentracht auf einer weißen Marmorbank. Ganz so wie in italienischen Dörfern. Die Letzte in der Reihe, am nächsten zum Haus, ist die Mutter des heutigen Bauern. Ich trete vor sie, lege ihr die Hand auf die Schulter. "Hanni!" Sie steht auf! Wir umarmen uns innig. "Ich bin ja da", sage ich. "Ich bin da."


Und Urlaub habe ich auch gemacht. Nachts im Traum.Traumurlaub. Mit der ganzen Familie. Natürlich in Italien. Eine Villa auf einem Hügel. Bruno Gröning kannte den Ort. "Komm schwimmen", sagt eine Frau. Wir gehen durch einen schattigen Park den Hügel hinunter zum Meer. Da ist eine Stadt zwischen Felsen am Strand. Portofino? Das Meer glitzert wie Kristall in der Sonne. Ich tauche ein!

Die Welt ist gerettet! Sie muss es nur noch glauben!
Die Welt ist gerettet! Sie muss es nur noch glauben!

Durch Umkehr und Ruhe sollt ihr gerettet werden

Im Stillsein und Vertrauen liegt eure Kraft

Jesaja

Der Perfekte Martini

Eis ruiniert alles. Lege das Martiniglas ins Eisfach. Der Vermouth wird im kalten Glas geschwenkt bis der Innenrand komplett bedeckt ist. Den Rest wegkippen! 2cl  Gin ins Glas füllen. Den Saft einer Zitronenscheibe hineinpressen. Den Glasrand innen und außen mir der Zitronenschreibe bestreichen. Nicht rühren! Nicht schütteln! Schnell trinken! Zum Wohlsein! 

Gerührt oder geschüttelt? - Sehe ich so aus, als würde mich das interessieren?  - James Bond, Ein Quantum Trost
Gerührt oder geschüttelt? - Sehe ich so aus, als würde mich das interessieren? - James Bond, Ein Quantum Trost

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Moi, je suis un autre!

Unverbesserlich Ich
Unverbesserlich Ich

Markus Heisel

Jahrgang 1966

 

Intellegis, me esse philosophum?

Intellexeram, si tacuisses!

- Boethius

 

markus.heisel@freenet.de

 

 

 

 Mauro Armellini, Billiard
Mauro Armellini, Billiard