Wir stehen im Kreis auf der Wiese hinterm Haus und teilen die Wolken. Wir ziehen mit Körben durch den Stadtwald, um essbare Kräuter zu finden. Irgendwas ist immer, wenn ich die Familie in Kiel besuche. Im besten Fall hat der seltsame Onkel aus dem Münsterland Antworten auf die Fragen der nächsten Generation im Köcher. Beim letzten Besuch bekam ich von meiner Nichte Lilith folgenden Auftrag: "Ich möchte reich werden und Mercedes fahren!" So ganz ohne Expertise ist die Familiengeschichte nicht. Onkel Siegfried fuhr Mercedes, Tante Annegret trug teure Pelzmäntel und rauchte Dunhill. Da in unserer Kultur gegenwärtig eher das Gegenteil von Vernunft im Umgang mit Geld empfohlen und praktiziert wird, lohnt ein Blick zurück. Die Urgroßeltern meiner Nichte mussten in schweren Zeiten lernen zu wirtschaften. Hätten sie es nicht gekonnt, wären wir jetzt nicht hier. Armut, Inflation, Krieg. Klingt leider wieder aktueller als einem lieb sein mag. Es ist an der Zeit, das Wissen zu bergen und den Staffelstab an die nächste Generation weiterzugeben.
Wohlstand als Segen
Die Wölfin von Wik
Der Segen des HERRN macht reich, und eigene Mühe fügt nichts hinzu. Sprüche, 10:22
Ist meine Nichte nun das weiße oder schwarze Schaf der Familie? Das Totemtier der Familie ist der Wolf. Also, Raubtierkapitalismus! Oder ist das eher das Problem? Wie reich werden und ruhig schlafen können, wenn laut Fritze Schiller der beste Kaufmann der Krieg ist? Wenn die in den Medien bewunderten Vorbilder allesamt nur die Verfluchten ihrer Milliarden zu sein scheinen. Ein größenwahnsinnger Dr. No neben dem anderen. Kein James Bond in Sicht.
Im traditionellen Judentum spricht man von koscherem Geld. Der Segen des HERRN liege nur dann auf dem Wohlstand, wenn beim Erwerb nicht gegen die zehn Gebote verstoßen wird. Von solch einem ethischen Kapitalismus scheint die Weltwirtschaft weit entfernt zu sein. Lauter verfluchtes Geld, wohin man blickt. Krankheit und Krieg machen Diebe reich. Die Witwen und Weisen kommen schon lange nicht mehr zu ihrem Recht. Der Kapitalismus scheint eine raue See zu sein. Wie kriegen wir unsere kleine Jolle da durch?
Contentment is not a destination. It's a manner of travelling
Dave Ramsey
Zunächst habe ich versucht, mich mit dem alten stoischen Trick aus der Affäre zu ziehen. Reich ist, wer wenig braucht. Je weniger, umso reicher. Statistisch gesehen gehören die Ärmsten in einer Industrienation immer noch zu den reichsten fünf Prozent weltweit. Das hilft meiner Nichte jedoch nur wenig. Schließlich hat sie klare Ziele vorgegeben. Eine Vierzehnjährige, die weiß, was sie will. Den Fußmarsch zum Mercedes mit einem gerüttelten Maß an Dankbarkeit und Zufriedenheit zu beginnen, schient mir trotzdem der beste Start zu sein.
Was dann noch geht? Wir werden sehen. Auf unseren Wanderungen rund um Förde und Schlei haben wir in den folgenden Tagen die wichtigsten Prinzipien von Erwerb und Erhalt des Reichtums diskutiert.
Reichtum kann Fluch oder Segen sein. Was ist zu tun, damit Wohlstand ein Segen wird, der unbeschwert genossen werden kann? Einen Punkt hatten wir schnell geklärt: Kosher Money! Auch bei Geschäften führt kein Weg am mosaischen Gesetz vorbei. Alles andere liegt dann in einer größeren Hand.
Ora et labora
Schmutzige Hände! Sauberes Geld!
Um mit Geld vernünftig umgehen zu können, muss man zu allererst Geld erwerben. Da hilft nur eins: Arbeiten! Hart Arbeiten! Das protestantische Arbeitsethos ist eng mit unserer Familiengeschichte verknüpft. Altmodische Tugenden: Fleiß, Tüchtigkeit, Anstrengung, Ausdauer, Lernen. Das ist der Weg. Im Schweiße deines Angesichts. Abkürzungen erweisen sich gern als Sackgassen. 70 % der Lottogewinner sind nach wenigen Jahren bankrott. Wenn der Wohlstand langsam wächst, Achtsamkeit beim Verwalten nötig ist, kann man auf dem Weg die Fähigkeiten erwerben und stärken, die letztendlich den Ergolg sichern. Es ist eine lange Wanderung! Die Sprinter werden schnell ermüden. Nur wer Tag für Tag kleine Schritte macht, wird ans Ziel gelangen. Ein kleiner Schritt nach dem anderen.
To make money, heißt es im Angelsächsischen. Das konnte meine Urgroßmutter Philippine, Bauerstochter aus dem Hunsrück. Als mein Urgroßvater Josef Zelter mit 48 Jahren bei einem Grubenunglück starb, stand sie mit ihren acht Kindern allein da. Aufgeben gab es für sie nicht. Sie malochte. Hausmädchen, Köchin, Verwalterin. Die größeren Kinder trugen vor der Schule Zeitungen aus. An Wochenenden verwandelte Phlippine ihr Küche in einen Waschsalon. Sie starb in bescheidenem Wohlstand. Eine Tochter heiratete einen Hotelbesitzer, eine andere einen bochumer Industriellen. Beide schätzen ihre patenten Frauen mit dem Unternehmergeist. Beide wurden tragende Säulen in den Firmen ihrer Männer. Damals war das noch so.
To make money! Nach dem Krieg war die Reichsmark nichts wert. Zigaretten waren die Währung der Stunde, für die man auf dem Schwarzmarkt alles kaufen konnte. Also pflanzte Opa Otto Tabak am Bahndamm an. Die Ernte wurde in der Küche fermentiert und auf Bindfäden, die unter der Decke hingen, getrocknet. Die ganze Familie drehte daraus Zigaretten. Mein Vater, ja dein Opa Friedhelm, Lilith, hat sie als Zwölfjähriger einzeln am Bahnhof in Herne verkauft. Man kam durch!
Lange Wanderung, Mühe, Ausdauer mag nicht besonders attraktiv klingen, aber das täuscht. Die Psychologie weiß, dass die Freude umso größer ist, je anstrengender der Weg war. Geschenkte Siege sind nichts wert. Und dann noch das unbezahlbare Gefühl, eigenes Geld in der Tasche zu haben. Niemand der dir vorschreiben kann, was du damit zu tun hast. Du betrittst eine andere Welt. Hier können wir dann starten. Wenn du jetzt einige Prinzipien beachtest, wird sich dein Wohlstand mehren. Führerschein und Mercedes bleiben keine fernen Träume. Nun sind sie realistische Ziele. Alles, was du tun musst: Von der Couch aufstehen, den Fernseher ausschalten und anfangen.
Die fünf Grundsätze des Geldes
Kosher Money
Ich gebe weniger aus als ich einnehme.
Jeder Cent tut genau das, was ich ihm sage.
Ich bin nur der Verwalter von Gottes Gaben.
Wohlstand ist Ausdruck seines Vertrauens.
Ich fülle zunächst mein Glas, dann lasse ich es großzügig überfließen.
Mein Handeln dient dem allgemeinen Wohl.
Das letzte Hemd
... hat keine Taschen. Warum soll ich mich abmühen, reich zu werden, wenn ich eh nichts mitnehmen kann? Unsere Eltern und Großeltern hatten eine klare Antwort. Die Kinder sollen es einmal besser haben.
Es geht nie nur um das Individuum. Keiner schafft es auf diesem Planeten allein. Keiner ist allein. Kooperation heißt die Erfolgsformel der Spezies Mensch. Partnerschaft, Familie, Gesellschaft. Darum geht es. Sie müssen Zweck unseres Handelns sein. Jeder, der etwas Sinnvolles zur Gemeinschaft beiträgt, der ein Bedürfniss befriedigt, eine Not stillt, wird von der Gemeinschaft belohnt. Das ist die Zauberformel für wirtschaftlichen Erfolg. Letztendlich ist es der einzige Grund, Geschäfte zu machen. Es geht immer um das allgemeine Wohl. Für das Individuum bedeutet Reichtum vor allem Unabhängigkeit.
Wer reich werden will, muss das Haus verlassen und zum Marktplatz gehen, Leute treffen, Freundschaften knüpfen, Beziehungen aufbauen. Nur so bekommt er mit, welche Probleme nach Lösungen rufen. Wer seiner Gemeinschaft dient, wird belohnt. Freilich scheinen auch diejenig reich zu werden, die Lösungen für Probleme anbieten, die sie zuvor geschaffen haben. Das können wir getrost unserem Schöpfer überlassen. Fluch und Segen sind seine Aufgabe. Not my business. ER lässt es regnen über die Guten und die Bösen.
Hausmeister Gottes
Ich habe mich nicht selbst erschaffen. Nicht diesen Körper, nicht diesen Geist. Nicht dieses Universum, nicht diesen Planeten. Alles ist nur geliehen. Es gehört nicht mir. Auch der Wohlstand, mit dem ich verflucht oder gesegnet bin, gehört nicht mir. Gott gibt es, Gott nimmt es. Alles. Wenn ER mir das alles zur Verfügung stellt, kann es nur meine Aufgabe sein, seine Gaben in seinem Sinne zu verwalten. Wir sind nur die Hausmeister.
An meinem aktuellen Reichtum kann ich ablesen, wie sehr ER mir schon vertraut. Wenn ich es gut mache, wird ER mir mehr anvertrauen.
Der VATER ist der Winzer, der auf Reisen geht und den Arbeitern den Weinberg für eine Weile überlässt. Nach seiner Rückkehr schaut er an, wie wer gewirtschaftet hat. Dem Faulen wird er alles nehmen, dem Tüchtigen alles geben. Ein Verwalter steht in der Verantwortung seines Herrn. Die Schöpfung ist im anvertraut. Wachsen und Gedeihen sind die Aufgaben. Hegen und Pflegen.
Die Pläne des Fleißigen führen sicherlich zu Überfluss, aber jeder, der sich beeilt, wird nur in Mangel geraten
Sprüche 21:5
Havdalah
König Salomon weißt auf die Vergeblichkeit allen menschlichen Tuns hin. Haschen nach Wind! Doch spricht hier der wahrscheinlich reichste Mann, der je auf Erden gelebt hat. Wie geht das zusammen? Ein Tun ist nicht vergebens. Der Segen des HERRN. Salomon warnt uns davor, nur auf uns selbst zu setzen, es erzwingen zu wollen und nur auf Geld und Güter fixiert zu sein.
Gott selbst gebot Moses, am siebenten Tage zu ruhen. Keine Arbeit, keine Geschäfte. Stattdessen: Besinnung! So hat er selbst es am Ende der Schöpfung getan. Er sah sich sein Werk an. Und siehe, es war gut.
Der Wohlstand will genossen werden. Er ist ein Geschenk Gottes. Nur Dankbarkeit und Freude können würdige Reaktionen sein. Salomon spricht sogar von der Verpflichtung, die guten Gaben zu genießen. Eine Frage der Ehrfurcht. Siehe und fühle, wie gut es ist.
Den Shabbat beendet eine jüdische Familie mit einer kleinen Zeremonie: Havdalah. Zu Liedern wird Wein in einen Kelch gegossen bis er überfließt und sich in eine darunter stehenden Schale ergießt.
Danach beginnt eine neue Woche voll reger Tätigkeit. Der Lohn kommt vom HERRN. Die wundervolle Zeremonie erinnert uns daran, nur geben zu können, wenn unser Kelch voll ist. Zuerst müssen wir unseren Kelch füllen, dann können wir anderen etwas abgeben. Erst der Familie, dann der Gemeinde, dann der Gesellschaft. Eines baut auf das andere auf.
Wohltätigkeit stärkt das allgemeine Wohl. Wir leben auf einem widerspenstigen Planeten, der uns harte Arbeit abfordert und zur Zusammenarbeit zwingt. Der einzelne ist zu schwach. Scheitern kennt jeder. Misserfolg. Mangel macht gierig, Schwäche aggressiv. Die Knechte, denen der HERR die Verantwortung überträgt, bekommen sie für den ganzen Weinberg. Er kann nur gedeihen, wenn es allen gut geht. Den Armen, Kranken, Vertriebenen. Den Witwen und Weisen.
Herr, schütze uns vor plötzlichem Reichtum, heißt es in einem ironisch gemeinten Gebet. Das hat einen wahren Kern. Schon die Flüche der Propheten gegen die Reichen zeigen, dass kaum einer dieser Verantwortung gerecht wird. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Imperien stehen auf tönernen Füßen. Reichtum eröffnet Handlungsspielräume. Früher war es leicht, tugendhaft zu sein. Jetzt kannst du im großen Maßstab Unheil anrichten. Da Konformismus weit verbreitet ist, Studien sprechen von 80% der Bevölkerung, sind nur die wenigsten überhaupt willens, Verantwortung zu übernehmen. Ist es möglich, dass Reichtum deshalb so ungleich verteilt ist?
Reich zu werden, ist gar nicht so schwer. Die fünf Grundsätze des Geldes sind simpel. Mit etwas Ausdauer kann es jeder schaffen. Einfache Marhematik. Aber dann fängt die Herausforderung erst an. Reich zu bleiben, den Segen des HERRN für sich und die Kommenden zu behalten, darauf kommt es an. Fluch oder Segen.
Kommentar schreiben